Offener Brief gegen Kriminalisierung uneigennütziger Hilfe


In einem Offenen Brief an politische Entscheidungsträger der Ampelkoalition konzentriert Respekt für Griechenland e.V. seine Kritik an dem geplanten „Rückführungsverbesserungsgesetz“auf die mögliche Strafverfolgung uneigennütziger Hilfeleistungen für Geflüchtete. Ein Verbot des Staates, Menschen in Not zu helfen, trägt zur Verrohung der Gesellschaft bei.

Offener Brief
gegen die Kriminalisierung von uneigennütziger Hilfe für Geflüchtete

Sehr geehrte Mitglieder des Deutschen Bundestages,

wir sind ein gemeinnütziger Verein, der seit 2015 in der Arbeit mit Geflüchteten in Griechenland tätig ist. Aus eigenen Erfahrungen kennen wir die Schwierigkeiten und Gratwanderungen, die damit verbunden sind. Umso mehr sind wir alarmiert über die geplante Neuregelung von uneigennützigem Hilfeleisten für Geflüchtete, wie sie in der Formulierungshilfe des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI) für einen Änderungsantrag der Ampelkoalition vorgesehen ist.

In Abweichung von der bisherigen Gesetzeslage soll auch die uneigennützige Beihilfe zur unerlaubten Einreise unter Strafe gestellt werden, wenn sie „wiederholt oder zugunsten mehrerer Ausländer“ erfolgt. Darüber hinaus soll die uneigennützige Hilfe zur Einreise von unbegleiteten Minderjährigen mit bis zu 10 Jahren Haft bestraft werden.

Diese scheinbar geringfügige Gesetzesänderung beschädigt das Fundament einer demokratischen Gesellschaft, die auf der Achtung aller Menschen beruht. Die vorgesehene Regelung, die ein humanitäres Handeln aus Mitgefühl untersagt, wirkt als Lehrstück auch für andere Bereiche des Zusammenlebens. Der Staat legitimiert damit einen inhumanen Umgang mit Schwachen – und zwar über den Umgang mit Geflüchteten hinaus.

Der Konflikt um die uneigennützige Hilfe für Geflüchtete hat sich an der Seenotrettung entzündet. Hier versucht das BMI durch eine sog. Klarstellung zu beruhigen. Das Einlenken „entfaltet jedoch keine Rechtssicherheit und schafft ebenso wenig die erforderliche Rechtsklarheit“ („Juristische Einschätzung“ von Vera Keller und David Werdermann sowie „SOS Humanity Gemeinsame Stellungnahme“ mit 58 Organisationen). Der Hinweis des BMI, bei der Seenotrettung entfalle eine Strafbarkeit, weil es um eine Rettung aus Lebensgefahr handele, ist eine mögliche, aber nicht notwendig die einzige Argumentation. Juristisch könnte auch konstruiert werden, dass in der Seenotrettung Tätige sich mit Schiffen im Mittelmeer bewegen, um Menschen zu retten und nach Europa zu bringen in Kenntnis, dass diese Menschen keine Erlaubnis zur Einreise haben. Damit läge bezüglich der Verletzung der ausländerrechtlichen Vorschrift bedingter Vorsatz vor, was für eine Strafbarkeit genügen würde.

Über die Seenotrettung hinausgehend ermöglicht die Gesetzesänderung, prinzipiell alle uneigennützig Helfende ebenso wie humanitäre Organisationen und Geflüchtete strafrechtlich zu verfolgen. Damit einher geht die permanente Gefahr von Ermittlungen.

Bitte setzen Sie sich dafür ein, dass diese unheilvolle Gesetzesänderung unterbleibt.

Mit freundlichen Grüßen

Vorstand RfG: Herbert Nebel, Reiner Schiller-Dickhut, Hilde Schramm

Offener Brief (PDF)