Wie steht es eigentlich um die Griechenland auferlegte Privatisierung öffentlicher Unternehmen? Die Privatisierung von 14 Flughäfen an das deutsche Unternehmen Fraport ist jetzt unter Dach und Fach. Viele wichtige Unternehmen der öffentlichen Infrastruktur sollen nach dem Willen der europäischen Institutionen folgen.
14 Regionalflughäfen an Fraport
Der griechische Staatsrat (entspricht einem obersten Verwaltungsgericht) hat jetzt eine Klage der Luftfahrt-Gewerkschaft OSYPA sowie von Gemeinden und sonstigen Trägern aus Korfu und Chania (Kreta) abgewiesen, wie die Griechenland-Zeitung am 26. Oktober meldete. Formell handelt es sich um eine Verpachtung für 40 Jahre.
Damit hat Fraport sein Ziel erreicht. In „Spiegel-online“ (Artikel vom 24. 10. 2016: Deutscher Flughafenbetreiber in Griechenland. „Sie sind Eroberer, keine Investoren.“, http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/griechenland-flughafenbetreiber-fraport-stoesst-auf-widerstand-a-1117609.html) wird berichtet, wie sich der Geschäftsführer von Fraport Griechenland auf einer Marketing-Veranstaltung seines Unternehmens in Thessaloniki erfreut zeigte. Das ist nachvollziehbar, denn Fraport hat ein gutes Geschäft gemacht. Der Artikel auf „Spiegel online“ schildert einige Kernpunkte der Flughafen-Privatisierung: Fraport zahlt eine Konzessionsabgabe von insgesamt 1,234 Mrd. € sowie eine jährliche Gebühr von 22, 9 Mio. € und einen Anteil von 28,5% des Betriebsergebnisses. Die Nachteile der Verträge waren zuvor schon von Niels Kadritzke in seinem Griechenland-Blog aufgezählt worden (http://monde-diplomatique.de/shop_content.php?coID=100071); in etlichen Artikeln der Frankfurter Rundschau war auch kritisch berichtet worden, z.B. am 14. 4. 2016 („Fraport kassiert, Athen haftet“). Unter anderem übernimmt der griechische Staat zahlreiche Kosten, die bei Fraport anfallen, oder trägt „Sozialkosten“, falls Fraport bisherige Rechte bzw. soziale Absicherungen der Beschäftigten umgeht, und schenkt dem Unternehmen geldwerte Leistungen bzw. Steuern. „Respekt für Griechenland“ und das „Berliner Bündnis Griechenlandsolidarität“ hatten in einer gemeinsamen Veranstaltung am 1. Juli 2016 kritisch über die Privatisierung der Flughäfen informiert. Der live zugeschaltete Bürgermeister Korfus hatte damals berichtet, dass Unternehmen aus dem Tourismusbereich sowie regionale Politik und Initiativen einen Vorschlag entwickelt hatten, den Flughafen Korfu selbst zu führen und weiterzuentwickeln.
Die griechische Staatsbahn Train-OSE war bereits im Sommer an die italienische Staatsbahn verkauft worden (siehe Süddeutsche Zeitung 15. Juli 2016). Der dem Privatisierungsfonds zugutekommende Erlös beläuft sich auch 45 Mio. €. Wenn man sich diese geringe Dimension vor Augen führt, ist offensichtlich, dass der Privatisierungsfonds nicht annähernd so viel Geld wird einsammeln können, wie es die europäischen Institutionen der Öffentlichkeit weismachen wollten. Man erinnert sich: Bei der letzten großen „Einigung“ zwischen Griechenland und den Gläubigern im Juli 2015 war Griechenland die Privatisierung zur Reduzierung der griechischen Staatsschulden aufgezwungen worden. Dazu taugt sie offensichtlich nicht.
Liste weiterer Privatisierungen
Seit Spätsommer liegt eine Liste weiterer staatlicher Unternehmen vor, die privatisiert werden sollen, u.a. das öffentliche Elektrizitätsversorgungsunternehmen (DEI), die Wasser- und Abwasserwerke Athen, die Wasser- und Abwasserwerke Thessaloniki, die Baugesellschaft von U- und Straßenbahnlinien (Attiko Metro), die Liegenschaftsdienste (Ktimatikes Ypiresies) und die griechische Fahrzeugindustrie (ELVO). (Die komplette Liste findet sich in einem Artikel von Axel Troost: Zur komplizierten Lage in Griechenland. Linke Realpolitik unter Austeritäts-Zwängen, http://www.sozialismus.de/kommentare_analysen/detail/artikel/linke-realpolitik-unter-austeritaets-zwaengen/)
Troost kommentiert: „Dass hier teilweise rentable Unternehmen wie die Wasserwerke Athen und Thessaloniki, die bislang einen ständigen positiven Beitrag zum Staatshaushalt leisten, privatisiert werden sollen, entspringt einer neoliberalen Marktideologie … Gerade vor dem Hintergrund der Enttäuschungen in Deutschland mit Privatisierungen, Cross-Border-Leasings, Public-Private-Partnerships sowie der stattfindenden Rekommunalisierungen von Stadtwerken etc. entlarvt sich diese Privatisierungsvorgabe als schädliche, überholte Ideologie.
Und wie geht’s weiter?
Für den weitere Entwicklung der Privatisierung in Griechenland ist entscheidend, wie der Aufsichtsrat des Privatisierungsfonds zusammengesetzt sein wird. Die griechische Regierung hatte im Juli 2015 in den Memorandums-Verhandlungen mit den europäischen Institutionen, namentlich dem deutschen Finanzminister Schäuble, drei kleine Erfolge erzielt:
- Der Fonds ist nicht in Luxemburg angesiedelt, wo er dem griechischen Einfluss ganz entzogen gewesen wäre.
- 50% seiner Einnahmen werden für Investitionen genutzt und nicht wie von Schäuble gewollt 100% für die Schuldentilgung verwandt.
- Zusammensetzung des Aufsichtsrats des Fonds: Drei der fünf Mitglieder werden von der griechischen Seite entsandt. Grundsätzlich muss die eine Seite jeweils den Vorschlägen der anderen Seite zustimmen. Europäische Kommission und Europäischer Stabilitätsmechanismus (ESM) haben bereits die ersten griechischen Vorschläge abgelehnt. Entscheidend wird sein, ob die griechische Regierung Vertreter ihres Vertrauens durchsetzen kann – und wie sich diese nach einer gewiss nicht auszuschließenden zukünftigen Regierungsübernahme durch die Nea Demokratia verhalten.