Bericht von Amar Bašić
Märtyrerdorf Kommeno – Gedenktag am 16.08.2022
Griechenland im Sommer 1943. Das Dorf Kommeno im Epirus wird am frühen Morgen des 16. August im Rahmen einer „Vergeltungsaktion“ von der Gebirgstruppe „Edelweiß“ angegriffen. 317 Zivilisten, Männer und Frauen, Jugendliche, Kinder und Alte werden in nur wenige Stunden widerstandslos ermordet. Das Dorf und die Leichen niedergebrannt. Eine fast vollständige Auslöschung.
Nach zweijähriger Zurückhaltung und aufgrund der anscheinend verbesserten epidemiologischen Lage hat die Gemeinde Nikolaos Skoufas mehrere Veranstaltungen zum Gedenken an die Opfer in Kommeno im August 2022 organisiert. 11.08.2022: Traditionelles Dorffest (Panigiri) / 12.08.2022: Schattenpuppentheater für Kinder „Karagiozis“ / 13.08.2022: Gedenkkonzert mit der Sängerin Foteini Velesiotou / 16.08.2022: jährliche zentrale Gedenkveranstaltung zur Ehrung der Opfer des Massakers am 16. August 1943.
Die Gedenkveranstaltung am 16. August 2022 wurde mit einem Gottesdienst eingeleitet und anschließend versammelten sich die Menschen um den Obelisken am Hauptplatz, mit den 317 eingravierten Namen der Opfer. Die Bürgermeisterin der Municipality Nikolaos Skoufas Frau Rozina Vavetsi, die auch für Kommeno zuständig ist, eröffnete die Veranstaltung mit einer Willkommensrede und übergab anschließend das Hauptwort an den Juristen und ehemaligen Staatspräsidenten der Republik Griechenland, Herrn Prokopis Pavlopoulos. Seine diesjährige Rede bezog sich vor allem auf die Reparationszahlungen und die juristisch geltenden Ansprüche Griechenlands gegenüber Deutschland.
Der diesjährige Beitrag von Respekt für Griechenland zur Gedenkveranstaltung war eine am Ortseingang aufgestellte räumliche Metallinstallation. In unseren Gesprächen und Planungen mit dem örtlichen Kulturverein und dem Ortsvorsteher Dimitris Dimou, wie wir ein Konzept für die Geschichtsvermittlung vor Ort gestalten könnten, entstand der Wunsch den Dorfeingang zu markieren. Es gibt wenige Hinweise auf die schlimmen Ereignisse vor Ort selbst – damit gemeint sind die Medien, die man als Außenstehender als Informationsquellen nutzen könnte, um sich ausführlicher über die Geschichte aufzuklären.
Im Zuge dessen haben wir ein dezentrales Konzept vorgeschlagen, dass die signifikanten Orte des Massakers von 16. August 1943 im Dorf mit Text-informationstafeln markiert werden und diese zusätzlich mit einem Audiowalk verbunden werden. Einen solchen haben wir zusammen mit dem grie-chischen Audiokünstler Lefteris Krysalis erarbeitet. Mit diesem Konzept glauben wir auch er-reichen zu können, dass sich Besucher länger im Dorf aufhalten, einen Spaziergang machen und auf verschiedenste und interessante Weise über die Geschichte lernen.
Die erste Markierung ist am Ortseingang. Für Kommeno ist diese Stelle zudem der Aus-gangspunkt der schrecklichen militärischen Operation und des damaligen ersten Verbrechens an der Zivilbevölkerung: die Ermordung des Priesters Lambros Stamatis. So entstand die Idee, diesen Ort mit einer Kunstinstallation zu Ehren der 317 Opfer zu markieren. Das Werk dient zugleich als erste Informationsquelle für ankommende Besucher und als Startpunkt unseres Audiowalks, mit der chronologischen Vermittlung der Geschehnisse an jenem Tag. Während der Entwurfsphase habe ich mehrere Konzepte erarbeitet und mit den örtlich involvierten Personen diskutiert. Die Herausforderung dabei war es, dass die Bewohner lediglich den Wunsch geäußert haben, sich von anderen Märtyrerdörfern zu differenzieren und die Befriedigung verschiedener ästhetischer Verständnisse und Geschmäcker. Ich sah meine Aufgabe darin eine in ihrer Proportion angemessene, zeitlose und dem Kontext sowie der Geschichte angepasste Skulptur zu entwerfen.
Das Konzept der Installation sieht vor, mit architektonischen und erzähler-ischen symbolischen Elementen Emotionen zu vermitteln. Ein enger, intimer und kontemplativer Raum, der einen imaginären Moment der Geschichte beherbergt – eine abstrahierte epirotische Mutter und ihre Kinder, die der Bedrohung ausgesetzt sind. Sie blicken auf ein Gewehr, dass an der gegenüberliegenden Wand lehnt, und in Zukunft auch auf eine Interpretation von Flammen. Eine schmale Öffnung ist symbolisch auf den Friedhof ausgerichtet. Bedingt durch die dynamische Anordnung der Wände droht der Raum auseinander zu fallen, wird aber mittels der immerwährenden und existenziellen Frage „Warum?“ in 12 europäischen Sprachen zusammengehalten.
Die Installation hat positive Reaktionen hervorgerufen. Im August hatte ich eine gute Gelegenheit mit unterschiedlichen Leuten zu sprechen, da viele Bewohner, Gäste und Familienangehörige sich vor Ort aufgehalten haben. Eine aussagekräftige Evaluation meiner Arbeit durch die unterschiedlichen gesellschaftlichen Strukturen in Kommeno. Eine weitreichendere Publizität der Arbeit von Respekt für Griechenland generell und der diesjährigen Kunstinstallation wurde uns vom lokalen Ortsvorsteher Dimitris Dimou bei seinem Fernsehinterview für den staatlichen Rundfunk ERT 2 ermöglicht. Zudem hat die lokale Journalistin und Professorin Katerina Schismenou ein Interview mit mir in 5 lokalen und überregionalen Zeitungen veröffentlicht.