Die Europäische Union im Umbruch und die Auswirkungen auf Griechenland

 (07.07.2020, mit Ergänzungen vom 21.07. nach dem EU Gipfel)

Unser Mitglied Andreas Poltermann hat in einem ausführlichen persönlichen Beitrag ökonomische und geopolitische Perspektiven der EU, unterschiedliche Strategien ihrer Mitglieder und die Ergebnisse des EU-Gipfels vom 21. Juli 2020 zum EU-Haushalt sowie zum Corona-Wiederaufbaufonds analysiert, letzteres vor allem bezüglich Griechenland.

  1. Neue postpandemische Rahmenbedingungen

Offenbar werden durch die Pandemie-Krise gesellschaftliche und wirtschaftliche Trends beschleunigt, die schon seit Jahren sichtbar sind. Ökonomen wie Nouriel Roubini oder Dani Rodrik sehen den Handelskonflikt zwischen den USA und China weiter eskalieren, wodurch die Entkoppelung der beiden Ökonomien beschleunigt werde. Unter diesen Bedingungen würden immer mehr Länder mit einer protektionistischen Politik reagieren, um ihre heimischen Ökonomien vor globalen Verwerfungen zu schützen. Zudem werde es – auch um den Preis höherer Kosten und geringerer Gewinne – zur Rückverlagerung von Produktionsstätten in die Zielmärkte kommen, um Lieferketten zu sichern. Die postpandemische Welt werde somit durch den Rückgang der internationalen Arbeitsteilung gekennzeichnet sein, durch stärkere Beschränkungen der Freizügigkeit und des Austauschs von Gütern und Waren, Dienstleistungen, Kapital, Arbeitskräften, Technologien, Daten und Informationen. Der Klimawandel und eine instabile Finanzwirtschaft rufen in immer kürzer Folge große Disruptionen der Weltwirtschaft hervor und erfordern immer mehr politische Interventionen. Vor diesem Hintergrund scheint die Repatriierung (Reshoring) von Produktionsstätten und die Etablierung „robuster“ Lieferketten innerhalb von Netzwerken politisch befreundeter und verlässlicher Länder nachhaltiger als das effizenzorientierte Offshoring, das die Welt seit den 90er Jahren gesehen hat. Schon beginnen die Ratingagenturen, in ihre Beurteilung von Unternehmen Gesichtspunkte der Resilienz (des Klimaschutzes, aber mehr noch der Sicherheit der Lieferketten und der Zugehörigkeit zu einem verlässlichen Netzwerk) einzubeziehen.

Auf politischer Ebene stellen der neue kalte Krieg zwischen den USA und China und die Konflikte mit anderen Herausforderern wie Russland, Iran, Nord-Korea den Multilateralismus in Frage. Eine sehr viel konfliktträchtigere multipolare Ordnung konkurrierender Groß- und Mittelmächte steht vor der Tür, während die USA ihre Sicherheitsgarantien für Europa Schritt für Schritt verringern. Die Europäer sind gefordert, sich zu diesen Konflikten zu verhalten und die Veränderungen zu gestalten und sich nicht auseinanderdividieren lassen, wie das den USA mit ihrem Sicherheitsversprechen, aber auch China mit seiner Belt and Road-Politik immer wieder gelingt. Soll auch die EU – wie das Kommissionspräsidentin von der Leyen zu wünschen scheint – sich zu einer dritten Großmacht in der multipolaren Weltordnung entwickeln, die ihre geopolitischen Ziele mit allen dazugehörigen Machtressourcen (einheitliche Außenpolitik, europäische Armee, Euro als Weltwährung, europäische Standards, etc.) verfolgt? Wird die EU den „neo-gaullistischen“ Vorstellungen Frankreichs, der seit dem Austritt Englands einzigen Atommacht unter den EU Mitgliedsstaaten mit Sitz im UN-Sicherheitsrat, folgen und ihre geopolitischen Interessen vor allem auf den Mittelmeerraum und Afrika konzentrieren, während sie mit Russland den Ausgleich sucht? Oder werden die deutschen „Atlantiker“ sich durchsetzen, die die EU weiter eng an die interventionistischen USA post-Trump anbinden wollen? Ihr Augenmerk ist vor allem nach Osten gerichtet, auf die Ausdehnung der Nato und die Erweiterung der EU, auf den damit verbundenen Konflikt mit Russland und die integrationsfördernden Effekte, die dieser Konflikt auf die EU-Mitglieder in Mittel- und Osteuropa hat. Die deutschen und europäischen Atantiker sehen sich als Verfechter des regelbasierten Multilateralismus, den sie unter der Hegemonie der USA in Bündnissen oder Netzwerken mit kleineren Staaten und Staatenbündnissen (z.B. ASEAN) 1 im Interesse von Frieden und Handelsfreiheit zu sichern versuchen.

Der Streit über diese Richtungsentscheidungen begleitet die EU seit den Tagen des Elysee-Vertrags von 1963. Der sah die weitgehende politische Integration Europas unter gaullistischen Vorzeichen vor. Doch die USA konnten diesen Schritt zur politischen Union mit Hilfe der deutschen Atlantiker mit dem Argument verhindern, dass das Vereinigte Königreich aus dieser Union nicht ausgeschlossen werden dürfe. In der „atlantischen“ Ära und besonders seit dem Beitritt des UK entwickelte sich die EU immer weiter zu einem Akteur des Freihandels und einer marktgerechten Demokratie unter dem US-amerikanischen Schutzschirm. Der Erweiterung der EU nach Mittel- und Osteuropa ging immer die Ausdehnung der Nato voraus. Jetzt hat das UK die EU verlassen und die Richtungsfrage stellt sich neu. Dabei gehen die französischen und die deutschen Ordnungsvorstellungen unverändert davon aus, dass die europäischen Staaten Stärke und Sicherheit vor allem durch Größe, erzeugt durch den supra-nationalen Zusammenschluss, erlangen müssen. Das ist insofern bemerkenswert, als der Austritt des UK für den gegenläufigen Trend seht, der sich seit dem Ende des Kolonialismus, dem Zerfall von Sowjetunion und Jugoslawien in der Gründung zahlreicher neuer kleiner und mittlerer Nationen manifestiert Und dieser Trend hält an und macht sich auch innerhalb der EU in Gestalt zahlreicher regionaler Bewegungen bemerkbar, die sich von ihren größeren Einheiten abspalten und als kleine Nationen etablieren wollen. Wie immer auch in der multipolaren Welt die Aussichten für kleine Staaten in der „Nische“2 sein mögen und wie prinzipiell begrüßenswert deren strukturelle Friedensfähigkeit auch sein mag – für Frankreich und Deutschland ist das Überleben in der „Nische“ keine Option. Für Frankreich würde das seinem Selbstverständnis und seiner Stellung im UN System widersprechen. Für Deutschland gilt immer noch, dass es zu groß für Europa ist, aber zu klein für die Welt, dass es also Europa für die Verfolgung seiner globalen Interessen braucht.

Auch wenn es für die EU eher nicht um die Existenzfrage gehen wird, so rütteln die großen Trends der De-Globalisierung, des Multipolarismus und der Austritt des UK doch an die Grundlagen ihrer Ausrichtung in den vergangenen 60 Jahren. In Europa und anderen Regionen der Welt werden das Verhältnis von Markt und Staat ebenso wie das Verhältnis von Globalisierung und nationaler und regionaler Autarkie neu balanciert werden müssen. Will die EU mehr Resilienz in der sich verändernden Welt gewinnen, muss auch sie sich neu aufstellen und ihre innere Verfasstheit an die geänderten Rahmenbedingungen anpassen. Tendenziell wird sie voraussichtlich von den in Deutschland vorherrschenden („atlantischen“) Ordnungsvorstellungen von einer liberalen, offenen und wettbewerbsintensiven Marktwirtschaft mit einer „marktkonformen“ Demokratie3 abrücken und sich mit der Formel von der „europäischen Souveränität“ dem Staatsinterventionismus und der Förderung/Subventionierung nationaler/europäischer Champions zuwenden, wie dies schon immer in Frankreich bevorzugt wurde.

  1. Die Europäische Union an der Schwelle zum Bundesstaat?

Die Erhaltung und Ausdehnung der EU haben für Deutschland überragende Bedeutung. Nur im europäischen Verbund konnte Deutschland nach seinem Krieg gegen die Welt hoffen, in den Kreis der geachteten Völker zurückzukehren. Und nur in einem großen und sich erweiternden europäischen Binnenmarkt konnte und kann Deutschland die Stärken seines auf Export gerichteten Geschäftsmodells zur Geltung bringen. Kritiker sagen auch, dass Deutschland nur durch die EU die immer schon angestrebte Hegemonie in Europa auf friedlichem Wege erreichen kann. Die Währungsunion war der bislang letzte weitgehende Integrationsschritt. Die Union höchst heterogener Mitgliedsländer macht die gemeinsame Währung zwar fragil und angreifbar und erzeugt hohe finanzielle, ökonomische und soziale Kosten; sie schwächt aber auch den Außenwert des Euro und lässt die wettbewerbsstarke deutsche (ebenso die niederländische, österreichische und finnische) Exportwirtschaft zusätzliche Gewinne machen. Die Erhaltung des erreichten Niveaus der europäischen Integration (des Marktes und der politischen Abstimmungsprozesse) liegt so sehr im deutschen Interesse, dass in einer Krise, die den Bestand der EU gefährden könnte, von Deutschland energische Schritte, ordnungspolitische Beweglichkeit (vor allem gegenüber dem eher staatsinterventionistischen Politikstil Frankreichs) und notfalls auch hohe Kostenbeiträge zu seiner Verteidigung erwartet werden können.

In diese Richtung weist der unlängst von Präsident Macron und Kanzlerin Merkel vorgelegte Plan eines schuldenfinanzierten europäischen Wiederaufbaufonds. Mit ihrer Unterstützung gemeinsamer Anleihen der EU, die im Rahnen des EU Budgets an die von der Pandemie besonders betroffenen Mitgliedsländer als Zuschüsse für Projekte vergeben werden sollen, vollzieht die Kanzlerin nicht weniger als eine 180-Grad-Wende. Was sie gestern noch strikt als Verstoß gegen EU-Recht und deutsche Überzeugungen ausgeschlossen hatte, soll jetzt möglich werden: eine europäische Transferunion auf Zeit oder auf Dauer.

Die deutsche Regierung sieht die Gefahr des Auseinanderbrechens der EU und akzeptiert (trotz Artikel 310 und 311 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, die der Kommission eine Kreditfinanzierung ihrer Ausgaben verbieten) für begrenzte Zeit die gemeinsame Schuldenaufnahme in Höhe von 500 Mrd. Euro. Sie kommt damit Frankreich, das als Sprecher der hoch verschuldeten europäischen Südländer auftritt, weit entgegen. Der Wiederaufbaufonds, wie ihn Merkel/Macron oder in erweiterter Form die EU Kommission vorgeschlagen haben, bedeutet voraussichtlich einen großen Schritt in Richtung auf eine europäische Fiskalunion. Der Mangel einer bloßen Vergemeinschaftung der Währung würde behoben. Die von der Europäischen Zentralbank (EZB) betriebene europäische Währungs- und Wirtschaftspolitik würde dorthin zurückgeholt werden, wohin sie hingehört: in die Arena politischer Debatte und politischer Kompromisse und demokratischer Entscheidungen der Staatenunion. Auch die Währungsunion würde stabiler werden. Gegenwärtig ist sie inhärent instabil, weil die Mitgliedsstaaten eine Währung haben, die sie als einzelne Staaten nicht kontrollieren können. Das wäre erst dann der Fall, wenn Schuldenaufnahme und Steuereinnahme auf die Ebene der gemeinsamen Währung gelangten, auf die Ebene der Europäischen Union. Zu Stabilisierung tragen auch die von Merkel/Macron in Aussicht gestellten Zuschüsse für die von der Pandemie besonders betroffenen Staaten bei: anders als Kredite, die den Unterschied zwischen finanzstarken und finanzschwachen Ländern nur weiter verstärken, stellen Zuschüsse echte Transfers dar, die die ohnehin vorhandenen Unterschiede abschwächen. Verhandelt wird im Augenblick tatsächlich der Einstieg in eine europäische Transferunion – etwas was die deutschen Grünen und die Linkspartei immer schon wollten, was die SPD auf Parteitagen fordert, aber in der Regierung bisher nicht durchsetzen wollte, und was die CDU bisher immer ausgeschlossen hat (zuletzt der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU in Bundestag, Ralf Brinkhaus, in der FAZ vor wenigen Tagen).

Die neue Haltung der Bundeskanzlerin dürfte auch mit dem viel gescholtenen Urteil des deutschen Verfassungsgerichts vom 5. Mai 2020 zusammenhängen. Das Gericht hatte geurteilt, dass die Anleiheankäufe der EZB nicht hinreichend demokratisch legitimiert sind. Die in den europäischen Verträgen festgeschriebene Unabhängigkeit der EZB dürfe nicht dazu führen, dass sie durch ihre Anleihekäufe faktisch und ohne Kontrolle („what ever it takes“) in die europäische Wirtschaftspolitik interveniere, während dies doch in erster Linie in die Kompetenz der demokratisch kontrollierten und legitimierten Politik falle. Das Verfassungsgericht fordert also eine Re-Politisierung und Demokratisierung der europäischen Wirtschafts- und Fiskalpolitik. Dieser normativen Vorgabe folgt der deutsch-französische Vorstoß und löst damit voraussichtlich eine integrationspolitische Dynamik aus hin zu einem EU-Haushalt, der sich über kurz oder lang aus eigenen Steuern wird finanzieren müssen. Der sozialdemokratische Finanzminister Olaf Scholz spricht sogar von einem „Hamilton Moment“. Alexander Hamilton, der heute noch die 10-US Dollar-Note schmückt, war der erste amerikanische Finanzminister, der 1790 den hoch verschuldeten Einzelstaaten die Übernahme ihrer Schulden durch den Bundesstaat angeboten hatte. Wenn der deutsche Finanzminister mit seinem Vergleich die europäische Vergemeinschaftung der Schulden ins Gespräch bringt und die EU an der Schwelle zum Bundesstaat sieht, so ist das revolutionär! Freilich wird das deutsche Verfassungsgericht eine solche Gründung der Vereinigten Staaten von Europa aus der Not und unter Berufung auf die Ausnahmesituation der Pandemie nicht akzeptieren. Es wird nach den mit Sicherheit zu erwartenden Klagen für Deutschland die politische Debatte und ein Referendum einfordern. Und diese Debatte muss und wird in allen Ländern der EU – höchstwahrscheinlich sehr kontrovers – geführt werden.

Mit ihrer Haltung geht die deutsche Kanzlerin in Deutschland und in der EU ins Risiko. In Deutschland muss sie jetzt Farbe bekennen, dass sie für eine gemeinsame Schuldenaufnahme, eine Transferunion und eventuell auch für die Vergemeinschaftung der Schulden eintritt. Bisher konnte sie sich hinter der Politik der EZB, die die Vergemeinschaftung ja durch ihre Anleihekäufe schon betrieb, verstecken. Ihr politischer Mut geht jetzt sogar so weit, dass sie selbst eine Änderung der europäischen Verträge nicht mehr ausschließt. Das würde bedeuten, dass auch die Fortentwicklung der EU nicht mehr außerhalb der Verträge (wie beim Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM) stattfindet oder der Weiterentwicklung des Rechs der EU durch den Europäischen Gerichtshof überlassen wird. Die Weiterentwicklung der EU gelangte zurück in die Hände der Politik. In ihrer Regierungserklärung vom 18. Juni begrüßte die Kanzlerin die Vorbereitung der „Konferenz über die Zukunft Europas“. Die für Vertragsänderungen anzuwendende Konventsmethode erwähnte sie in diesem Zusammenhang jedoch nicht. Gut möglich also, dass die Konferenz über die Zukunft Europas als Testfeld gesehen wird, welche Änderungen eine Chance haben, die dann in einem zweiten Schritt im Europäischen Konvent beraten werden müssen. Die deutsche Ratspräsidentschaft wird hier vielleicht die Weichen stellen können. Sie muss aber mit sehr unterschiedlichen Interessen und zum Teil auch mit hartem Widerstand rechnen.

Zunächst wurde in den Hauptstädten der Mitgliedstaaten berechnet, was von den angekündigten EU Mitteln zur Erholung der europäischen Wirtschaft (500 Mrd. Euro Zuschüsse, 250 Mrd. Euro Kredite) für das eigene Land am Ende (nach Abzug der einzuzahlenden Eigenmittel) netto herausspringen könnte und welche Maßstäbe die Kommission bei der Berechnung der nationalen Anteile zugrunde gelegt hat. Um einflussreiche Länder wie Polen, die der zu erwartenden Integrationsdynamik skeptisch bis ablehnend gegenüberstehen, für ihre Pläne zu gewinnen, hat die Kommission Polen mit über 60 Mrd. Euro einen sehr großen Anteil am Wiederaufbaufonds in Aussicht gestellt. Dieser Betrag übersteigt die Schäden durch die Pandemie voraussichtlich um das Fünffache. Diese Offerte treibt voraussichtlich einen Keil in die Gruppe der Visegrád-Staaten. Denn die anderen Länder der Gruppe sehen sich weit weniger begünstigt. Sie kritisieren, dass ihnen bei gleicher Bevölkerungsgröße und vergleichbarem Inlandsprodukt weniger Mittel zugedacht werden als Polen und den Südländern der EU. Außerdem lehnen sie den zu erwartenden neuen Aufbruch in Europa ab und fürchten um ihre Anteile am EU-Budget.

Einig sind sich die Visegrád-Staaten aber in einer Frage: Sie lehnen die Verknüpfung von Zahlungen aus dem Wiederaufbaufonds und dem regulären EU Budget mit Fragen der Rechtsstaatlichkeit ab. Diese Verknüpfung hatte vor allem das EU Parlament gefordert. Die Kommission hatte die Forderung weitgehend übernommen. In der Folge hatten Polen und Ungarn, um die es ja vor allem geht, bei den Beratungen des EU Haushalts, der einstimmig beschlossen werden muss, mit ihrem Veto gedroht. Dieser Haltung haben sich jetzt alle Visegrád-Staaten angeschlossen. Aber jetzt geht es nicht nur um den Haushalt, jetzt geht es auch um den Wiederaufbaufonds, insgesamt also um etwa 1,8 Billionen Euro. Mit ihrem Veto können diese Staaten den ohnehin sehr langen Weg bis zur Auszahlung der Mittel aus dem Wiederaufbaufonds weiter verzögern und damit die sich schon jetzt abzeichnenden ökonomischen Schäden bei den Südländern und in der gesamten EU erheblich vergrößern. Eile ist geboten, da verleiht die Fähigkeit, auf Zeit zu spielen, eine starke Verhandlungsposition.

Von den sogenannten Nettozahlern des europäischen Nordens, also außer Deutschland (das in diesem Fall die Gruppe der sog. Neue Hanse verlassen hat) den Niederlanden, Österreich, Schweden, Dänemark und neuerdings auch Finnland, wurde sogleich Ablehnung signalisiert. Sie sind nicht gegen die gemeinsame Schuldenaufnahme der EU, finden aber den Betrag insgesamt zu hoch und lehnen die Auszahlung der Mittel des Wiederaufbaufonds als Zuschüsse ohne strikte Kontrollen ab. Sie sprechen klar aus, um was es geht: eine europäische Transferunion, die sich nicht wollen – und von der sie bis gestern annahmen, dass auch Deutschland dergleichen auf jeden Fall ablehnt. Was sie akzeptieren, sind günstige Kredite, die die Kommission an die Mitgliedsstaaten geben kann (obwohl es dafür ja schon den ESM gibt). Die sollen zur Modernisierung der Verwaltungen und für die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Empfängerländer eingesetzt werden. Dabei haben die sparsamen Vier zwei Argumente: Sie kritisieren die Kriterien, nach denen die Kommission die Mittel aus dem Aufbaufonds zuteilen will. Und sie kritisieren, dass die Mittel ohne Rücksicht auf den Stand der Rechtsstaatsentwicklung ausgezahlt werden sollen.

Die von der Kommission vorgeschlagenen Kriterien für die Verteilung der Gelder aus dem Konjunkturpaket auf die Mitgliedstaaten sind in der Tat angreifbar. Sie legt die Zahl der Arbeitslosen von 2015-2019 zugrunde und das Pro-Kopf-Einkommen im vergangenen Jahr. Diese Kriterien haben nichts mit der Pandemie zu tun. Mit diesen sozial-ökonomischen Kriterien richtet die EU Kommission ihre Konjunktur- und Wirtschaftspolitik auf Umverteilung zugunsten der strukturschwachen Länder aus: Die in den letzten Jahren zu keinen arbeitsmarktpolitischen Erfolgen gekommen sind und ihre Arbeitslosigkeit nicht senken konnten. Zu ihren Gunsten soll eine Transferunion eingerichtete werden. Man kann auch sagen, dass die EU nicht mehr an die Strukturmodernisierung mit Hilfe der Zwänge des Euro resp. der „Disziplinierung durch die Finanzmärkte“ glaubt.

Anders die die sparsamen Vier plus Finnland (also die „Neue Hanse“ abzüglich Deutschland): Die profitieren nicht nur vom Euro als relativ stabiler Währung, die für sie als Exportländer wichtig ist (während die Südländer mit ihrer auf den Binnenmarkt ausgerichteten politischen Ökonomie eher eine schwache Währung brauchen), sie halten auch an der Strategie der Modernisierung durch den Druck der Finanzmärkte fest. Das ist die Idee, die (neben anderen Punkten wie: Preis für deutsche Einheit, Schwächung der Bundesbank) die zur Gründung der europäischen Währungsunion geführt hat: Weil man (d.h. vor allem Frankreich, Italien, Griechenland) auf nationaler Ebene und auf demokratischem Weg bei der überwiegend marktschaffenden) Modernisierung von Staat und Wirtschaft nicht vorankam und die steigenden Schuldenstände an den Finanzmärkten für Nervosität sorgten, wählten nationale und europäische Eliten den technokratischen Weg über eine Währungsunion, die den demokratischen Spieltraum (und damit auch die Fähigkeit von Opposition und Gewerkschaften, liberalisierende Reformen zu verhindern oder national erkämpfte soziale Errungenschaften zu verteidigen) mit Verweis auf die Regeln der Währungsunion und des Binnenmarktes bis heute begrenzt. Dass entscheidende Weichenstellung für die Fortentwicklung der EU durch die sog. nicht-majoritären (dem demokratischen Zugriff entzogenen) europäischen Institutionen EZB und EuGH vorgenommen wurden und werden, war kein Versehen, sondern Absicht – es war Teil der technokratischen Modernisierungsstrategie.

Eine Transferunion käme dem europäischen Süden sehr entgegen. Sie würde den Druck der Finanzmärkte verringern. Sie wird aber voraussichtlich den politischen Streit bei den Nettozahlern erhöhen. Das Kölner Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung, der intellektuell redliche Ort der deutschen Kritik am Euro-Regime, geht davon aus, dass Deutschland eher aus dem Euro aussteigen als einer dauerhaften Transferunion zustimmen wird. Ähnlich sehen das auch die Niederlande, die im März 2021 ein neues Parlament wählen werden. Der niederländische Ministerpräsident Rutte fordert, dass Länder, die Hilfsgelder erhalten, sich auch zu tiefgreifenden Reformen ihrer Renten-, Arbeitsmarkt-, Steuer- und Justizsysteme verpflichten müssen. „Sie müssen ihr Haus in Ordnung bringen, damit sie in der nächsten Krise nicht wieder Hilfe benötigen“, betont Rutte. „Auch das ist Solidarität.“ Als besondere Trumpfkarte kann er gemeinsam mit den anderen „frugal four“ noch die Rechtsstaatsfrage aufwerfen. Bleiben die vier in dieser Frage hart, können sie wie die Visegrád Staaten den EU Haushalt und den Aufbaufonds noch eine entscheidende Weile blockieren, auch wenn sie mit Berufung auf höchste europäische Werte ganz entgegengesetzte Argumente haben.

In der Frage des Rechtsstaatskriteriums vertritt das EU Parlament die härteste Haltung. Es liegt wohl an seiner relativ schwachen Rolle im Konzert von Kommission und Europäischem Rat (dem Entscheidungsgremium der Mitgliedsländer), dass es meist die ethisch und politisch ambitioniertesten und finanziell weitreichendsten Forderungen erhebt. Während die von der Kommission vorgeschlagenen 750 Mrd. Euro für die Sparsamen schon deutlich zu viel sind, fordert das Parlament gleich Billionen. Zusätzlich fordert es die strikte Verbindung der Mittel aus dem EU Budget an einen Rechtsstaats-Mechanismus. Schließlich fordert es noch das Ende der Beitragsrabatte. Seit Magret Thatcher den sog. Briten-Rabatt erstritt, haben auch die anderen Nettozahler Rabatte ausgehandelt. Am Ende muss das Parlament dem EU Haushalt zustimmen. Dass es aus Enttäuschung über das Erreichte den Kompromiss aber ablehnt und die Verantwortung für eine verzögerte Auszahlung übernimmt, erscheint jedoch unwahrscheinlich. Am Ende wird das Parlament sogar höhere Rabatte, einen eher vagen Rechtsstaatsmechanismus und einen EU Haushalt akzeptieren, der bei den konsumtiven Kohäsionsmitteln stabil bleibt, während die erhöhten Rabatte zulasten der investiven Mittel für Forschung und Entwicklung gehen.

Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Verknüpfung mit den Rechtsstaatkriterien dem Kompromiss über das ganze Paket von 1,8 Billionen Euro nicht im Wege stehen wird. Genau das hat schon am 16.07. der portugiesische Ministerpräsident Costa nach einem Treffen mit Viktor Orban gefordert. Der Rechtsstaatsmechanismus ist so formuliert, dass er wohl nie aktiviert werden wird. Außerdem soll die Kanzlerin Viktor Orban zugesagt haben, dass das laufende Rechtsstaatsverfahren gegen Ungarn noch während der deutschen Ratspräsidentschaft fallengelassen wird.

Gegen die andere Form der Konditionierung der Mittel aus dem Aufbaufonds haben wiederum Italien (auch ein Nettozahler der EU) und Spanien, die nach dem Plan der EU Kommission mit 173 Mrd. bzw. 140 Mrd. Euro den absolut größten Anteil am Fonds erhalten sollen, Einwände. Für sie wird europäische Solidarität dann gewahrt, wenn sie zu großen Zuschüssen ohne weitere Bedingungen führt. Sie lehnen die von Rutte geforderte Modernisierung ihrer Länder durch Vorgaben aus Brüssel und die Überwachung durch andere Mitgliedsstaaten ab. Schon hat der italienische Finanzminister angekündigt, einen Teil der Zuschüsse zur Finanzierung von Steuersenkungen zu verwenden. „Damit die italienische Oberschicht noch ein wenig reicher wird, sollen wir Zuschüsse bewilligen?“, fragen da die Abgeordneten im niederländischen Parlament. Die monetaristische und neoliberale europäische Austeritätspolitik hat die Südländer der Währungsunion ärmer gemacht. Das BIP pro Kopf hat in der Eurozone seit 2000 um 18 Prozent zugelegt. In Griechenland ist es lediglich um 3,3, Prozent gewachsen. In Italien ist es um 2,1 Prozent geschrumpft. Aber das beutet ja noch lange nicht, dass eine (soweit wie möglich) souveräne nationale Politik, die sich der Konditionierung entzieht, zu besseren, d.h. zu sozial gerechten und finanziell tragfähigen Ergebnissen gelangt.

Bei der Frage Kredit oder Zuschuss könnte es einen Kompromiss geben: Die Gruppe um die Niederlande/Österreich könnte sich bereit erklären, dass Kredite für Maßnahmen, die ihre vereinbarten Ziele auch wirklich erreichen, nachträglich ganz oder teilweise in Zuschüsse umgewandelt werden. Das würde den Anreiz stärken, Geld in vernünftige Projekte zu investieren, statt es für kurzfristige Umschuldungen oder den kurzzeitigen Erhalt von Arbeitsplätzen auszugeben. Ungeklärt bleibt dabei aber, ob die Kommission bei der Überprüfung von Erfolg/Misserfolg auch das notwendige Urteils- und Standvermögen aufbringt. Unvergessen ist die Nachgiebigkeit der Kommission gegenüber einigen besonderen Mitgliedsländern der EU: Gefragt, warum die Kommission die Regeln der Währungsunion nicht strikt in Frankreich durchzusetzen versucht, antwortete Kommissionspräsident Juncker 2016: „Weil es Frankreich ist“. Die Niederlande fordern daher, dass nicht allein die Kommission, sondern die Mitgliedsstaaten bei der Festlegung von Zielen und Mitteln ein entscheidendes Wort mitreden können. Rutte fordert sogar Einstimmigkeit, d.h. ein niederländisches Veto-Recht. Das wird es nicht geben, aber doch die Möglichkeit der Kontrolle durch die Mitgliedsstaaten. Die können verlangen, dass sich bei Zweifeln an der sinnvollen Mittelverwendung die europäischen Finanzminister mit dem Fortschritt eines EU finanzierten Reformprogramms befassen. Die Aussage dahinter: Wir trauen der Kommission nicht zu, dass sie hinreichend kontrolliert.

Die andere Botschaft hinter dem Brüsseler Gipfel vom 17.-21. Juli: es geht auch um die Macht in der EU und auch um Symbolik. Setzen sich Deutschland und Frankreich mit ihrem Vorschlag durch oder die nördlichen Nettozahler? Letztere sagen klar, dass das deutsch-französische Tandem ohne Rücksprache mit ihnen vorgeprescht ist und dass sie das nicht kampflos hinnehmen wollen. Um diesen Ansehensverlust zu vermeiden, wollen Frankreich und Deutschland auf jeden Fall einen Gipfelbeschluss, der Zuschüsse von mindestens 400 Mrd. zusichert. Das ist ihre Schwäche, die von den Sparsamen ausgenutzt werden kann. Setzen die sich durch, indem sie den Umfang der Zuschüsse auf unter 400 Mrd. Euro drücken, ist das deutsch-französische Tandem nachhaltig beschädigt. So ist es nun gekommen: die Zuschüsse wurden auf 390 Mrd. Euro begrenzt.

Interessant ist auch noch die Beobachtung, dass die aktuelle Konfliktlage in der EU einen deutlichen Unterschied zwischen Deutschland und den anderen nördlichen Ländern offenbart. Die konnten sich in der Euro-Krise immer hinter Deutschlands zögerlicher und meist auch kleinlicher Haltung verstecken. Sie teilten Deutschlands Position weitgehend (meist waren sie sogar radikal liberal), ohne dafür gescholten zu werden. Den Ärger bekamen immer Merkel oder der deutsche Finanzminister ab, als der noch Schäuble hieß. Jetzt, da Deutschland die Neue Hanse verlassen hat, gehen die Nordländer aus der Deckung, sie präsentieren sich nicht zögerlich, sondern vertreten sehr aktiv eine Reformagenda für eine EU, die ihren Interessen und der ursprünglichen Idee der Währungsunion entspricht.

Außer dem deutschen Finanzminister, der den Weg in Richtung eines europäischen Bundesstaates andeutete, tritt derzeit kein EU Mitgliedsstaat (erst recht nicht das souveräne Frankreich) für eine solche grundlegende Transformation ein. Das könnte sich ändern, sollte es die Chance für eine Vergemeinschaftung der Schulden geben. Ob deren Befürworter dann auch zur Abgabe von Souveränitätsrechen bereit sind und etwa Steuerrechte auf die EU übertragen, bleibt abzuwarten. Das größte Interesse an einer Vertiefung der Integration und Stärkung der EU haben zurzeit natürlich die EU Kommission und die Mehrheit der europafreundlichen Abgeordneten des Europäischen Parlaments. Sie würden an Macht und in der Folge an Kompetenzen gewinnen. Aber werden Frankreich und Deutschland zur Abgabe von Kompetenzen bereit sein. Im Falle Berlins scheint das tatsächlich der Fall zu sein.

Die EU will die Konjunkturmittel in Höhe von 750 Mrd. Euro für folgende Schwerpunkte einsetzen. 390 Mrd. als Zuschüsseund 360 Mrd. als rückzahlbare Kredite.

Gesundheitsversorgung
Der ursprünglich von der Kommission entworfene Notfallplan signalisiert die Möglichkeit eines Paradigmenwechsels in der EU von der negativen, marktschaffenden Marktintegration (Fritz W. Scharpf vom Kölner Max-Planck-Institut), die vor allem Markt- und Wettbewerbshindernisse beseitigt, zu einer Sozialunion, die im Wege der Umverteilung ihren Bürgern/innen öffentliche Güter zur Verfügung stellt. Auch die Initiative der EU zur Förderung eines Impfstoffs als globales öffentliches Gut ist interessant, weil sie sich der neoliberalen Politik der Privatisierung und Kommerzialisierung und damit Schließung der knowledge-commons entgegenstellt, die die Menschen (auch in den wohlhabenden Gesellschaften) im Ernstfall ohne Medikamente lässt.4

In der Konsequenz dieses Politikwechsels, sollte er wirklich ernsthaft eingeleitet werden, müsste dann auch das Problem der „orphan drugs“ adressiert werden. Es geht um die Erforschung von Medikamenten für (zu) kleine Gruppen, die der Pharmaindustrie kein lukrative Märkte in Aussicht stellen. Die hat ihre strategische Entscheidung längst gegroffen und setzt lieber auf Medikamente gegen Krebs, der in den alternden reichen Ländern zunehmen wird. Sie verteidigt, wie im Übrigen auch die EU und die meisten Wissenschafts- und Wirtschaftsministerien in der EU, das Patentrecht als marktförmiges Instrument der Innovationsförderung.

Wie am Morgen nach dem Gipfel zu lesen ist, fällt gerade der Ausbau der Gesundheitsversorgung dem Kompromiss zum Opfer. Die Osteuropäer wollen Kohäsionsmittel in den gewohnten Bahnen, ohne der EU Kompetenzen in der Gesundheitspolitik einzuräumen. Die ausgehandelten Rabatte für die Nettozahler, die dieses Mal höher sind als bei den früheren mehrjährigen EU Haushalten, führen zu Kürzungen in den Bereichen Forschung und Entwicklung und Landschaftspflege als zweiter Teil der Agrarförderung.

European Green Deal
Im Zentrum steht der Klimaschutz. 30 Prozent des EU Haushalts und der Mittel aus dem Aufbaufonds sollen dem Klimaschutz dienen. Dazu zählen die Energiewende und Energieeffizienz. Die Kommission geht davon aus, dass grüne Investitionen zur Steigerung des europäischen BIP um 1 % beitragen und für die Schaffung von knapp einer Million neuer, umweltfreundlicher Arbeitsplätze sorgen können. Durch Investitionen in eine stärker kreislauforientierte Wirtschaft sollen bis 2030 mindestens 700 000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden; außerdem können sie dazu beitragen, die Abhängigkeit der EU von externen Anbietern zu verringern und ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber globalen Versorgungsengpässen zu erhöhen.

Die grüne Wende soll nicht nur langfristig Sicherheit durch Nachhaltigkeit bieten, sondern auch dazu beitragen, Europas Wirtschaft schnell und lokal anzukurbeln. Im Zentrum der kommenden Sanierungswelle wird laut Kommission die Schaffung von Arbeitsplätzen im Bauwesen, im Bereich Sanierung und sonstigen arbeitsintensiven Gewerben stehen.

Ergänzend zu Förderung der E-Mobilität soll die Einrichtung von einer Million Ladestationen unterstützt und Städte und Unternehmen bei der Erneuerung ihres Fuhrparks durch saubere Fahrzeuge subventioniert werden. Öffentliche Investitionen zur Unterstützung der Erholung im Verkehrssektor sollen an eine verbindliche Zusage seitens der Industrie geknüpft werden, in sauberere und nachhaltigere Mobilität zu investieren.

Der Agrarhaushalt soll leicht aufgestockt werden.
Just Transition: Mit dem Fonds für einen gerechten Übergang stellt die Kommission zusätzlich 32,5 Mrd. Euro zur Verfügung. Mit diesen Mitteln sollen die sozioökonomischen Auswirkungen des Übergangs abgemildert werden, z. B. durch die Unterstützung der Umschulung von Arbeitskräften, die Förderung von kleinen und mittelgroßen Unternehmen (KMUs) bei der Gestaltung neuer wirtschaftlicher Chancen und durch Investitionen in die Energiewende.

Digitalisierung: Europas Schwäche bei der Digitalisierung ist offenkundig. Verrechtlichung und Marktliberalisierung führen zu hohen privaten Gewinnen, aber nicht zu strategisch sinnvollen Entscheidungen. Es gibt kein europäisches Google, keine europäische Cloud und keine europäische G5-Technologie. Alle digitalen Schlüsseltechnologien liegen in US-amerikanischen oder chinesischen Händen. Es fehlt ein „digitaler Airbus“ – also ein europäischer Champion wie der europäische Flugzeugbauer, der auch gegen die Regeln des Wettbewerbs entwickelt und, weil sicherheitsrelevant, auch gegen die Bedingungen des Vergaberechts gekauft und eingesetzt werden kann.

Die Kommission sieht keine zusätzlichen Mittel für Asyl- und Flüchtlingspolitik vor.

3. Griechenland

Der Kompromiss über den EU Haushalt und den Aufbaufonds sieht für Griechenland Mittel von 32,5 Mrd. Euro aus dem Aufbaufonds und etwa derselben Summe aus dem EU Haushalt vor.

Mit Bezug auf die Mittel des Aufbaufonds teilt die griechische Regierung die Position Italiens: Sie befürwortet Zuschüsse, will aber nur der Kommission die gewohnten Kontrollrechte bei der Überwachung der Ziele und der Mittelverwendung einräumen. Es ist jedoch klar, dass dies eine Maximalposition ist und dass die griechische Regierung auch mit einem Mix leben kann, der etwas weniger Zuschüsse und mehr Kredite umfasst und auch weitergehende Kontrollrechte der anderen Mitgliedsstaaten. So ist es jetzt gekommen..

Die griechische Regierung will ihre Vorhaben im Oktober vorstellen. Aber schon jetzt sind folgende Projekte in der Diskussion:

Gesundheitsversorgung
Laut den Daten der OECD gibt Griechenland pro Kopf der Bevölkerung 1.623 Euro pro Jahr für die Gesundheitsversorgung aus; das ist etwas mehr als die Hälfte des EU Durchschnitts von 2.884 Euro und etwa ein Drittel weniger als vor der Spar- und Privatisierungspolitik in der Staatsschuldenkrise. Dazu kommt, dass sein Drittel dieser Ausgaben für die Gesundheitsversorgung von den privaten Haushalten geleistet werden muss. Das ist die höchste Rate in der EU und ein extremer Fall der von der EU in der Finanzkrise geförderten Privatisierung der Daseinsvorsorge.

Wegen der Pandemie hat die griechische Regierung mit dem Ausbau der Krankenhäuser begonnen. Zu Beginn der Pandemie hatte Griechenland genau 90 ICU (Intensivbetten mit Beatmungsmöglichkeit)! Das sind etwa 0,9 pro 100.000 Einwohner. Zum Vergleich: Deutschland: 32.500 (=40 pro 100.000, OECD Durchschnitt: 16 pro 100.000). In der Zwischenzeit verfügt Griechenland über einige Hundert (>500) Beatmungsplätze. Aber es fehlt das Personal. Während der Schuldenkrise sind aus Griechenland über 10.000 Ärzte ausgewandert. Es gibt deshalb in den Krankenhäusern, jedoch nicht bei den niedergelassenen Ärzten, einen dramatischen Ärztemangel. Ähnlich ist es beim Pflegepersonal in den Krankenhäusern. Diesem Personalmangel kann kurzfristig nicht abgeholfen werden – zumal viele andere EU-Staaten (darunter Deutschland, aber auch Frankreich, Schweden etc.) seit langem griechische Ärzte/Ärztinnen und Pflegepersonal abwerben, weil es für sie billiger ist, sie in Griechenland statt im eigenen Land ausbilden zu lassen.

European Green Deal
Die Regierung plant die E-Mobilität durch den Aufbau von Ladestationen und die Subventionierung des Kaufs von Elektroautos zu fördern. Weiter plant sie in Kooperation mit einem Tesla Forschungs- und Entwicklungszentrum in Athen Griechenlands Fähigkeiten zum Einsatz von Smart Grids und Speichertechnologien zu verbessern. Diese Entwicklung ist besonders für die unverbundenen, also energie-autonomen Inseln interessant, deren Stromproduktion bisher zu 84 Prozent mittels Dieselgeneratoren mit teurem importiertem fossilem Brennstoff erfolgt. Ziel ist es, mit Hilfe von Tesla auf der Insel Limnos den Nachweis zu erbringen, dass ein Teil der Stromversorgung autonom durch erneuerbare Energie in Verbindung mit Energiespeichertechnologien (Pumpspeicher oder Batterien) und auch bei bis zu 3 Tagen ohne Sonnenschein zu einem niedrigeren Preis als bei den Dieselgeneratoren möglich ist.

Grundlegend und mutig ist der angekündigte Ausstieg aus dem Braunkohleabbau und der Braunkohleverstromung bis Ende dieses Jahrzehnts. Syriza hat diesen Mut nicht aufgebracht. Dass wegen des niedrigen Energiewerts der griechischen Braunkohle und wegen der Kosten des europäischen Emissionshandels selbst die neuesten Kraftwerke nicht kostendeckend arbeiten würden, war seit langem klar. Aber Syriza hatte Angst vor dem Verlust vieler Arbeitsplätzen und fürchtete die erwarteten Proteste. Stattdessen hat Syriza mit der Kommission über die Ausnahme vom Emissionshandel verhandelt und ist damit gescheitert. Das gilt aber auch für den (einzigen) grünen und von Syriza unterstützten Bürgermeisters in Kozani, der sich im Zentrum der west-makedonischen Braunkohleregion für den Ausstieg aus der Braunkohle und die Gestaltung der Transition aussprach. Er wurde bei den Kommunalwahlen von einem Kinal-Politiker (ehemals PASOK) ersetzt, der den Leuten alles versprochen hat. Die jetzige ND Regierung geht davon aus, dass sie aus dem EU Fonds reichlich Mittel für die Transition erhalten wird. Dazu liegen zahlreiche Studien (alle vom WWF verfasst) vor. Neben den üblichen Versprechungen (Innovation, Startups, etc.) enthalten sie auch Überlegungen zum Ausbau eines sanften Tourismus in West-Makedonien.

Die EU hat Griechenland bereits 8 Mrd. Euro zur Finanzierung des Ausstiegs aus der Braunkohle bewilligt.

Der Ausstieg aus der Braunkohle(Verstromung) macht den Ersatz von 50 Prozent der konventionellen Stromproduktion durch erneuerbarer Energie (Biomasse, Solar- und Windkraft) und Wasserkraft erforderlich. Die Wende zur E-Mobilität würde noch größeren Bedarf an erneuerbar erzeugter Energie hervorrufen. Erforderlich sind gewaltige Investitions- und Ausbauprogramme, die bereits Syriza aufgelegt und jetzt von der ND Regierung umgesetzt werden. Zwischen Ausbauzielen und tatsächlich erreichtem Ausbau klaffen aber teils große Differenzen. So gelingt der Ausbau der Wasserkraft (18 % Anteil an der Stomproduktion) ohne Probleme, der Ausbau der Solarenergie übertrifft (nach der Reorganisation des Einspeisesystems und der Öffnung der Strombörse HEuEX in2019) sogar die Ziele. Doch der Ausbau der Windenergie bleibt weit hinter den Zielen zurück. Gegen die Windenergie gibt es überall im Land Widerstand. Die Gründe sind vielfältig: es gibt ästhetische Einwände, Proteste der Vogelschützer, aber auch volkswirtschaftliche Überlegungen. So findet bei der Installation von Windkraftanlagen nur ein Bruchteil der Wertschöpfung in Griechenland statt. Bevor der Strom fließt, verdienen erst einmal deutsche, dänische und chinesische Anlagenbauer. Vom Betrieb profitieren die Investoren (das sind zunehmend auch Energiegenossenschaften), die Bauern, die ihr Land verpachten, und die Systemtechniker.

Neben den grünen Zeichen des Ausstiegs aus der Braunkohle und des Ausbaus der Erneuerbaren setzt die ND Regierung aber auch rückwärtsgewandte Zeichen: Sie weist verstärkt neue Gebiete für die Exploration und spätere Ausbeutung von Erdöl- und Gasvorkommen aus. Auch in Naturschutzgebieten soll gebohrt werden dürfen. Im Augenblick ist das alles wegen der niedrigen Weltmarktpreise für Gas und Öl nur politische Symbolik. Die Regierung will Wachstum um jeden Preis. Sind aber erst einmal Probebohrungen genehmigt, wird der Rückzug wegen der damit verbundenen Rechtsstreitigkeiten immer sehr teuer oder sogar zu teuer.

Allgemein wird erwartet, dass ca. 80 Prozent der griechischen Unternehmen in diesem Jahr Verluste machen. Tritt das ein, müssen sie keine Unternehmenssteuern zahlen.

Digitalisierung
Digitalisierung erfährt auch in GR durch die Pandemie einen Schub. Die Digitalkompetenz und die Digitalwirtschaft waren immer schon eine Stärke griechischer Bürger/innen. Aber viele von ihnen ziehen es immer noch vor, in anderen europäischen Ländern für den griechischen Markt zu arbeiten. Aktuell gibt es eine Vielzahl von Startups, von denen man hoffen kann, dass einige überleben werden. In den Startups geht es jedoch teilweise gruselig zu: Viel Personal wird mit Praktikantenstatus beschäftigt, d.h. in der Regel ohne Gehalt mit gelegentlichen Entlohnungen bei Erfolg eines „Projekts“.

Migranten- und Flüchtlinge
Die EU hat seit einiger Zeit die Finanzierung des griechischen Migrationsmanagements übernommen. Das richtige Argument: Die Grenzen Griechenlands sind die gemeinsamen Außengrenzen der EU. Dafür stellt die EU Griechenland 700 Mio. Euro zur Verfügung. Die Mittel werden unter anderem für den Bau von fünf Mehrzweck-Empfangs- und Identifizierungszentren auf den griechischen Inseln verwendet. Die fünf Aufnahmezentren, die auf den Inseln, aber auch bei den Flüchtlingen sehr umstritten sind, sollen eine angemessene Unterbringung von Drittstaatsangehörigen bis zur Prüfung ihres Asylantrags gewährleisten und sie gleichzeitig durch gute Standards vor der Ausbreitung des Coronavirus schützen. Was in den Lagern heute geschieht, erfolgt unter europäischer und griechischer Regie.

Darüber hinaus stellt die EU die Mittel für ESTIA (Emergency Support to Integration & Accommodation) zur Verfügung. Es zielt auf diejenigen Flüchtlinge, die Asyl suchen und nicht in den Lagern wohnen. 2019 hatte das Programm 190 Mio. Euro zur Verfügung; in 2020 sind es 175 Mio. Euro. Die EU stellt dieses Geld dem UNHCR zur Verfügung, das es wiederum an Vermieter für Wohnungen und NGOs weiterleitet, die sich bei der Aufnahme von Flüchtlingen und bei der Asylberatung engagieren. Im Augenblick finanziert ESTIA die Unterbringung und die finanzielle Ausstattung von etwa 22.000 Flüchtlingen bzw. Asylsuchenden und Migranten. Die erhalten jeweils Wohnung und eine Cash-Card für den Kauf von Grundmitteln. Ziel ist es, über dieses Programm in diesem Jahr etwa 90.000 Menschen zu versorgen.

Das andere EU finanzierte Programm ist HELIOS (Hellenic Integration Support for Beneficiaries of International Protection). Es finanziert Integrationsprogramme für Migranten/innen, deren Asylgesuch erfolgreich war und die jetzt anerkannte Asylberechtigte sind. Aufgrund ihres anderen Status qualifizieren sie sich nicht mehr für das ESTIA-Programm.

Description:  In close collaboration with national authorities and experienced Partners, through the HELIOS project IOM aims at promoting the integration of beneficiaries of international protection currently residing in temporary accommodation schemes into the Greek society, through the following components:

  • Integration Courses: Conduction of Integration Courses within Integration Learning Centres set-up across Greece. Each course cycle lasts for 6 months and consists of modules on Greek language learning, cultural orientation, job readiness and life skills.

  • Accommodation support: Supporting beneficiaries towards independent accommodation in apartments rented on their name, including by providing contributions to rental and move-in costs and networking with apartment owners.

  • Employability support: Provision of individual employability and job readiness support, including through job counseling, access to job-related certifications and networking with private employers.

  • Integration monitoring: Regular assessment of the integration progress of the beneficiaries to ensure that they will be in a position to confidently navigate through Greek public service providers once they will exit from the HELIOS project and start living independently in Greece.

  • Sensitization of the host community: Organization of workshops, activities and events and production of a nationwide media campaign to create exchange occasions between the hosting and the hosted communities, highlighting the value of the integration of migrants into the Greek society.

  • Objective:

  • The objective of the project is two-folds: Increasing beneficiaries’ prospects towards self-reliance and supporting them in becoming active members of the Greek society, and;

  • Establishing an integration mechanism for beneficiaries of international protection, resulting to a rotation mechanism for the current Greek temporary accommodation system.

Aktuell sind knapp 12.000 Asylberechtigte in das Programm eingeschrieben. Sein Schwerpunkt ist die Arbeitsmarktintegration. Es umfasst aber auch vorübergehende Mietzuschüsse, für den Fall, dass die Berechtigten nicht schnell in den Arbeitsmarkt finden und die Miete aus eigenem Einkommen finanzieren können. Aktuell erhalten etwa 3.000 Menschen diese Zuschüsse.

Ein großer Teil des Geldes geht an die Anbieter von Integrationskursen und Beratung (300) und an die 18 Integrations- und Lernzentren, die über das ganze Land verteilt sind. Der Regierung ist es durch eine Schmutzkampagne gegen die NGOs gelungen, nahezu alle internationalen NGOs, darunter so große Spieler wie die Soros Foundation, aus dem Programm fernzuhalten. Die Schmutzkampagne beschuldigte die NGOs der Verschwendung und der Zweckentfremdung der Mittel. Es stimmt sicherlich, dass die Flüchtlingskampagne für Griechenland die teuerste war, die die Welt bisher gesehen hat. Darüber berichten auc NGOs selbstkritisch. Noch nie wurde so viel Geld pro Flüchtling ausgegeben. Sicher wurde dabei auch viel verschwendet, wurden sehr hohe Gehälter gezahlt und weniger vordringliche Projekte finanziert. Dass dabei auch unterschlagen oder betrogen wurde, ist bisher von keinem Gericht festgestellt worden. Die Kampagne der griechischen Regierung hatte das Ziel, die NGOs fernzuhalten und die Empfänger der Mittel aus HELIOS auf die griechischen Kommunen zu beschränken. Die sind sicherlich – Solidarity Cities in Europa zeigen das ja – auch in erster Linie zuständig für die Integration von Asylberechtigten und sehr oft auch dazu bereit und immer besser fähig. In Griechenland sind die meisten Kommunen in der Hand der Nea Dimokratia, die bei den Kommunalwahlen ja noch viel deutlicher gesiegt hat als bei den nationalen Parlamentswahlen. Und hier beginnt der Verdacht: Dass die EU Mittel für HELIOS in parteinahe Netzwerke und GONGOs (Government Oriented NGOs) fließen sollen. Das wäre ja noch hinzunehmen, wenn denn das Programm bei der Integration wirklich helfen würde. Stattdessen fallen immer mehr Menschen mit Asylberechtigung aus jeder Förderung raus, sie finden keinen Arbeitsplatz und keine Wohnung und werden obdachlos. Statt einer Wohnung erhalten sie aber einen Pass, der ihnen für 3 Monate die Einreise in andere EU Länder ermöglicht (sofern die Grenzen offen sind). So viel man hört, machen viele von dieser Möglichkeit Gebrauch und kehren nicht wieder nach Griechenland zurück.

Tourismus
Griechenlands zweitwichtigster Exportsektor ist der Tourismus. Für seine Volkswirtschaft ist er der wichtigste Sektor, der über 30 Prozent zum BIP beiträgt. Die Regierung versucht den Sektor durch Steuersenkungen zu unterstützen. Hotels und Reiseunternehmen müssen zwischen Juli bis September 25 Prozent weniger Abgaben zahlen. Um ausländischen Touristen eine gewisse Sicherheit und zur Beruhigung der Einheimischen wurden im ganzen Land Hotels reserviert, die f Quarantäne-Fälle aufnehmen sollen. Die Kosten des Aufenthalts trägt der griechische Staat. Alle Maßnahmen dienen dem möglichst umfassenden Erhalt des Bestehenden.
In einigen griechischen Zeitungen wird darüber hinaus aber auch über längerfristige Veränderungen des Tourismus diskutiert. So erwarten einige Experten, dass Corona den Massentourismus für lange Zeit stark einschränken oder sogar ganz verändern wird. Die nähere Zukunft liege eher beim Qualitätstourismus – bei Luxusresorts oder beim sanften (Wander)Tourismus.

Neues Wirtschaftsmodell für Griechenland
Die griechische Regierung hat einen US-geschulten Unternehmensberater an ihrer Spitze. Kein Wunder also, dass der von Wirtschaftsberatern viel halt. Mitsotakis hat den Nobelpreisträger Christopher Pissarides um die Leitung einer Kommission gebeten, die die Tragfähigkeit von Griechenlands aktueller politischer Ökonomie untersuchen und ggf. ein anderes Geschäftsmodell vorschlagen soll. Dabei soll es nicht um eine theoretische Fingerübung gehen, sondern um einen Vorschlag, für welche strategischen Ziele die 32 Mrd. Euro, die Griechenland aus dem Aufbaufonds (21,5 Mrd. Zuschüsse, 9,5 Mrd. Kredite) erwartet, eingesetzt werden sollen.

Alle von der Regierung bisher ergriffenen Maßnahmen sollen der Sicherung des Bestehenden und der Begrenzung der Verluste dienen. Die Kommission, so ist in der Kathimerini (eine Art griechische FAZ) zu lesen, will die Mittel aus dem Aufbaufonds so einsetzen, dass dadurch der Export gesteigert und der Import verringert wird. Dazu sollen der Ausbau der Kreislaufwirtschaft und grüne Investments dienen, die vor allem den Import von fossilen Brennstoffen substituieren könnten.

In der Tat ist das griechische Handelsbilanzsaldo seit vielen Jahren negativ. Von 2015 bis 2019 ist es von 15 Mrd. Euro auf 24 Mrd. angewachsen. In der Folge steigt die Auslandsverschuldung der öffentlichen und der privaten Haushalte Griechenlands. Die beiden größten Posten der griechischen Importe sind mineralische Brennstoffe (29% aller Importe) und Maschinen und Industrieerzeugnisse (40%). Durch den Ausbau der Erneuerbaren könnte Griechenland tatsächlich einen der größten Importposten reduzieren. Der Ausbau der Kreislaufwirtschaft könnte einen kleinen Teil der Industrieimporte substituieren. Problematisch am griechischen Geschäftsmodell bleibt aber immer noch seine hohe Abhängigkeit vom Export mineralischer Brennstoffe (34 % aller Exporte), der auf mittlere Sicht keine Zukunft haben dürfte, und vom Tourismus, der, wie dieser Tage deutlich wird, sehr stark von äußeren Faktoren wie Pandemien, Kriegen, Flüchtlingsbewegungen) beeinflusst wird.

Legt die Kommission ein überzeugendes Konzept vor und will Mitsotakis damit tatsächlich die politische Ökonomie Griechenlands verändern, wird er sich mit zahllosen Gegnern im Land und in den Reihen seiner Partei auseinandersetzen müssen. Er könnte froh sein, dass Rutte und die sparsamen Vier für die EU und die Mitgliedsstaaten ein starkes Mitspracherecht bei der Verwendung der Mittel des Aufbaufonds fordern. Modernisierer haben in Griechenland immer die Hilfe der EU gebraucht und sind dennoch meist gescheitert. Der letzte Modernisierer war Simitis, der für seine Agenda den Euro und den Druck der Finanzmärkte brauchte. Das ist nicht gut gegangen. Dennoch: Auch Mitsotakis wird den Druck der EU brauchen.

Andreas Poltermann

1 Siehe hierzu das Interview mit dem grünen Europaabgeordneten und „Atlantiker“ Reinhard Bütikofer im Podcast Nr. 35 der Heinrich Böll Stiftung „Europa in der Welt“ von Fokus Europa.
2 Wolfgang Streeck, Reflections on political scale. Adam Smith Lecture in Jurisprudence, University of Glasgow, 30 May 2018.
3 Bundeskanzlerin Merkel im September 2011: „Wir leben ja in einer Demokratie und das ist eine parlamentarische Demokratie und deshalb ist das Budgetrecht ein Kernrecht des Parlaments und insofern werden wir Wege finden, wie die parlamentarische Mitbestimmung so gestaltet wird, dass sie trotzdem auch marktkonform ist.”