Die Signale für Griechenland sind im Frühjahr 2016 sehr gegensätzlich.
Einerseits haben die europäischen Gläubiger (oder Teile davon) bei den Verhandlungen zwischen Griechenland und der Troika am zweiten Mai-Wochenende Erleichterungen für künftige Schuldenrückzahlungen angedeutet. Andererseits gingen dem mehr oder weniger aufgezwungene Beschlüsse des griechischen Parlaments voraus.
Die Renten wurden gekürzt, die Einkommensteuer wurde erhöht, beides soll einen Betrag von je 1,8 Mrd. € erbringen.
Darüber hinaus ist in Kürze die Anhebung weiterer v.a. Steuern geplant, so
- die Anhebung der Mehrwertsteuer von 23 auf 24 % für zahlreiche elementare Produkte und Dienstleistungen
- Erhöhung der Preise für Benzin um 5 Cent, Heizöl um 8 Cent
- Abgaben auf Festnetz und PayTv.
Für sehr viele Griechen werden diese Einschnitte die Not verschlimmern, v.a. durch die indirekten Steuern.
Der stellvertretende Ministerpräsident Dragasakis erhofft sich von diesen Maßnahmen, die jedenfalls in der Summe von der Troika verlangt wurden, dass diese anschließend 9 – 12 Mrd. € an Athen „geben“ und dass in der Folge die Wirtschaft belebt werde (siehe Spiegel online 16. Mai, „Griechenland plant höhere Mehrwertsteuer“). Ob sich diese Hoffnung erfüllt, wird man sehen. Richtig ist jedoch, dass ein Ausweg allein in einer Belebung der Wirtschaft liegen kann, mit auf die Wirtschaftsstruktur des Landes passenden Investitionen und einer ökologischen Erneuerung.
Widersinnige Steuerhöhungen
Nach unternehmernahen Kreisen (siehe FAZ 9.5. 2016 „Neues Drehbuch für endloses Griechenland-Drama“) sei die Mehrwertsteuererhöhung kontraproduktiv, weil bei diesem hohen Satz die Steuerhinterziehung ansteige; bei anderen Maßnahmen geht der Kommentator davon aus, dass sie nicht durchgesetzt würden – die kalkulierten Erträge wären demnach Luftbuchungen. Man wird sehen. Jedenfalls schaden die von den Gläubigern veranlassten Steuererhöhungen dem Tourismus, was das Bruttoinlandsprodukt weiter sinken lässt, wodurch neue Steuerhöhungen und Leistungskürzungen begründet werden – und der negative Kreislauf dreht sich eine weitere Runde.
Das „Wohlverhalten“ der griechischen Regierung und der Parlamentsmehrheit ist jedenfalls Voraussetzung dafür, dass Griechenland aus dem im Sommer 2015 beschlossenen Hilfspaket/Kreditprogramm von 86 Mrd. € weitere Mittel bekommt. Insbesondere sind im Juli erhebliche Zahlungen aus Krediten fällig, für die dem Staat die Gelder fehlen.
Ulrike Herrmann hat in der Taz (10. Mai 2016) diesen „sinnlosen Kreisverkehr des Geldes“ kritisiert, „der die ganze Eurozone lahmlegt.“ Bei den Brüsseler Verhandlungen sei es nur darum gegangen, ob die Europäer Griechenland neue Kredite gewähren, damit es alte Kredite bei den Europäern tilgen kann (siehe auch die Berechnungen der „Europäische Schule für Management und Technologie “ (EMST), wohin die bisherigen „Hilfen“ geflossen sind, über die z. B. in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung berichtet wurde; http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/eurokrise/griechenland/die-griechenland-hilfspakete-halfen-vor-allem-banken-14215453.html).
Konzept des ESM für Streckung
Unabhängig von dieser allgemeinen Kritik ist interessant, welches Konzept für Schuldenerleichterungen Griechenlands der ESM für ein Treffen der Euro-Finanzminister am 9. Mai ein vorgelegt hat. Dieses besteht laut der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ aus drei Elementen: „Die Laufzeit für Kredite könnte um fünf Jahre auf 37,5 Jahre verlängert werden. Zudem könnten bis 2050 die Rückzahlungen auf ein Prozent des griechischen Bruttoinlandsprodukts festgesetzt und die Zinszahlungen für Darlehen auf zwei Prozent begrenzt werden.“ („Laufzeit der Griechenland-Kredite könnte nochmals verlängert werden“, www.faz.net, 10.5.2016, http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/eurokrise/griechenland-krise-esm-ueber-schuldentragfaehigkeit-besorgt-14224508.html).
Zur Erläuterung: dies würde einen Schuldendienst von rund 6 Mrd. € bzw. Tilgungen von 2 Mrd. € pro Jahr bedeuten, denn das Bruttoinlandsprodukt Griechenlands beträgt schwankend um 200 Mrd. € (2006 bis 2010 zwischen 220 und 240 Mrd. €, danach 180 bis 190 Mrd. €). Nach verschiedenen Informationen des BMF an den Deutschen Bundestag summieren sich die vorhersehbaren Tilgungsleistungen z.B. in den zehn Jahren 2016 bis 2015 auf 58 Mrd. €, also knapp 6 Mrd. pro Jahr; dies schließt alle Gläubiger ein, also nicht nur die europäischen, sondern auch den IWF und weitere). Dies zeigt, dass durch ein solches Konzept Erleichterungen erreicht würden – auch wenn man berücksichtigen muss, dass ein solches Angebot sich zunächst nicht auf die nicht-europäischen Gläubiger beziehen würde.
Zur Erinnerung: die derzeit noch gültige Zielmarke für den griechischen Staatshaushalt ist, dass ab dem Jahr 2018 dauerhaft ein Primärüberschuss 3,5 % vom Bruttoinlandsprodukt erreicht werden muss, also eine Größenordnung von 7 Mrd. €; der IWF hält dies für völlig unrealistisch und hat eine Rate von 1,5 % ins Spiel gebracht.
Reiner Schiller-Dickhut